Warum schreiben Sie bevorzugt Dystopien?

 

Nun, ich beschäftige mich durchaus auch mit anderen Stoffen. Endzeitliche Stoffe sind allerdings seit meiner Jugend mein Lieblingsmetier. Von den großen Klassikern von Orwell, Bradbury und Huxley bis zu modernen Dystopien von McCarthy, Takami und Houellebecq war und bin ich stets begeistert. Mich interessiert vor allem, wie Menschen damit umgehen, wenn der gesicherte Rahmen der modernen Zivilisation zerfällt. Wie reagieren Personen des Alltags auf den Einbruch der staatlichen Ordnung, der Infrastruktur und des Zusammenlebens? Wie schnell und in welcher Form werden Menschenrechte und moralische Werte zugunsten des eigenen Wohls aufgegeben?

 

Darüber hinaus interessiert mich jenes Charakteristikum, das jeder Dystopie per Definition eingeschrieben ist. Die Warnung vor Entwicklungen in der Gegenwart, die in der Zukunft zu schrecklichen Dingen führen können. 

 

Wann und wie schreiben Sie Ihre Texte?

 

Früher habe ich meine Herzensprojekte über Jahre hinweg nachts nach der Arbeit verfasst. Mittlerweile schreibe ich eher in kompakteren Zeiträumen. Ich setze mich an ein Projekt und kümmere mich über mehrere Wochen um gar nichts anderes mehr (zum Leidwesen meines Umfelds). Zum Beispiel mitunter im Urlaub. Da arbeite ich dann um die zwölf bis sechzehn Stunden am Tag an den Texten. 

 

Welchen Stellenwert haben Filme/Serien für Sie und wie beeinflussen sie Ihr Schreiben?

 

Gute Filme und Serien nehmen einen gewaltigen Stellenwert in meinem Leben ein. Beinahe so sehr wie gute Literatur. Besonders Serien werden immer wichtiger. Wir leben in der glücklichen Zeit moderne TV-Serien von ungeahnter Qualität genießen zu können. Das Format der Serie hat mich spätestens seit den "Sopranos" begeistert. Es bleibt viel mehr Zeit für Charakterentwicklung, Handlungsentfaltung, Tiefgang etc. Wenn ich schreibe sehe ich die Abläufe wie in einer Serie vor mir vorbeiziehen. Ohne Inspirationen aus dem Film würde meine Literatur wohl sehr viel anders aussehen. Also: Das Medium des 20. Jahrhunderts beeinflusst mein Schaffen massiv würde ich sagen.

Lieblingsbuch/Autor?

 

Diese Liste würde den Rahmen hier sprengen. Aber ein Autor der mich besonders geprägt hat, ist Heinrich von Kleist mit seiner unvergesslichen Sprache und seiner kompromisslosen Ästhetik der Gewalt. Seine Erzählung "Michael Kohlhaas" ist wohl meine liebste Geschichte. Ansonsten bin ich ein Bewunderer von Cormac McCarthy, Stephen King (natürlich) und Joseph Conrad... Und noch vielen anderen.

 

Kaffee oder Tee?

 

Beides! Aber vor allem Kaffee! Viel Kaffee, kein Zucker und keine Milch. Schwarz muss er sein! Und an und ab auch mal einen guten Darjeeling.

 

Welche Jobs haben Sie in Ihrem Leben bisher gehabt?

 

Puh, einige. Eine Auswahl: Freier Mitarbeiter in einer Kulturredaktion, Barkeeper, Kellner, Callcenter-Agent, Promotion, Universitäts-Tutor, Rezeptionist, Lehrer, Security, Eventlogistik... Ich habe vor allem in der Zeit meines Studiums eine ganze Menge ausprobiert könnte man sagen. Manchmal auch aus wirtschaftlicher Not.

 

Sind Sie eher Kinogänger oder Streaming-Fan?

 

Beides. Das Kinoerlebnis wird für mich immer etwas magisches Besitzen, da gereicht kein Heimkino jemals heran. Wenn ich zu Hause Blu-Rays sehe bestehe ich in der Regel sogar darauf eine Kinoatmosphäre zu erzeugen. Unterbrechungen nur wenn nötig, Handys aus, absolute Dunkelheit und ein guter Sound. Filme sind Kunstwerke und um diese voll genießen und in ihre Geschichten eintauchen zu können, braucht es die bestmöglichen Umstände. 

Nagut, welches Buch ist Ihnen besonders lange im Gedächtnis geblieben?

 

Jonathan Littells: Die Wohlgesinnten. Dieses gut 1400 Seiten umfassende Werk ist mir zwischen den Fingern hindurchgeschmolzen beim Lesen. Es handelt sich um eine Erzählung über einen fiktiven SS-Offizier in der Zeit des zweiten Weltkriegs. Dabei ist es ein scharfes Portrait dieser dämonischen Zeit und dem dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Die Geschichte ist schrecklich, aber wunderbar geschrieben. Als Historiker hat dieses so erschütternde und ergreifende Werk besonderen Stellenwert für mich.